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Der Morgennebel hängt über dem Nam Ou. Dem Fluss, der das Städtchen Nong Khiaw im Norden von Laos durchzieht. Die Sonne schafft es nur mühsam, sich durch die Nebelschwaden zu kämpfen. Die ganze Nacht haben wir wachgelegen, weil der Regen wie Hagelkörner auf unser Hüttendach geprasselt ist. So sieht also die Trockenzeit in Laos aus, die uns der Touranbieter gestern angepriesen hatte.
Leicht entmutigt stehen wir um 8 Uhr morgens mit unseren Rucksäcken am Treffpunkt. Von hier startet unser zweitägiges Trekking-Abenteuer durch den laotischen Dschungel. In der jetzigen Trockenzeit sei die Strecke recht einfach zu laufen. Und Blutegel gäbe es auch keine. Das waren die Versprechen des Touranbieters Green Discovery, bei dem wir uns am Abend zuvor kurzfristig für die Zweitagesvariante der Trekkingtour angemeldet haben. Vielleicht waren es vorher ein, zwei Beer Lao zu viel, die unsere Abenteuerlust anfachten.
Nun hat es die ganze Nacht geregnet. Das kann ja heiter werden. Hilft nichts, wir haben gebucht. Und gekniffen wird nicht. Los geht´s für zwei Tage durch den Dschungel. Wir sind zu viert auf unserer Backpacking Tour durch Laos. Meine Schwester Julia und ihr Freund Florian, Marco und ich. Unsere Tour soll uns durch Wälder und über Berge führen, wir werden Wasserfälle bezwingen und das laotische Leben in abgelegenen Dörfer kennenlernen.
Wir stecken fest. Im Matsch.
Mit der typisch laotischen Verspätung werden wir von einem Kleinbus am Treffpunkt abgeholt. Per Bus soll es ins nächstgelegene Dorf gehen, von wo unser Trekking startet. Unser Unbehagen vergrößert sich, je weiter wir uns von Nong Khiaw entfernen. Immer tiefer werden unsere Spurrillen im Matsch. Der Regen hat ganze Arbeit geleistet. Die Reifen drehen durch. Der Motor heult auf. Bis wir nicht mehr weiterkommen. Wir stecken fest – mitten im laotischen Nirgendwo. Gemeinsam schaffen wir es, den Bus aus dem Morast zu schieben. Leider sehen wir danach selbst aus, als hätten wir ein Schlammbad genossen.
Endstation irgendwo in Laos
Unser Guide Thong und der Fahrer beschließen, dass dies die Endstation unseres Transports ist. Den Rest der Strecke müssen wir zu Fuß bewältigen. Nach circa zwei Stunden Fußmarsch erreichen wir unseren eigentlichen Starpunkt der Tour, das Dorf Ban Viengkham.
Hier leben die Angehörigen der Hmong und Khmu seit Jahren friedlich miteinander. Beide Völker gehören zu den ethnischen Minderheiten in Laos. Während die Khmu als die frühesten Siedler im heutigen Laos gelten (ca. 10.000 Jahre), sind die Hmong erst vor rund 200 Jahren eingewandert. Sie kamen vom Westen Chinas und aus Tibet. Die Unterschiede der beiden Völker sind deutlich sichtbar in den Traditionen, der Kleidung und der Art des Hausbaus.
Das Trekking-Abenteuer im Dschungel beginnt
Mit reichlicher Verspätung starten wir nach dem Mittagessen unsere eigentliche Tour. Wir durchqueren sattgrüne Reisfelder, bevor es durch dichte Wälder stetig aufwärts geht.
Unser Guide Thong hat wohl Mitleid mit den unbeholfenen Deutschen, die auf den matschigen Steigungen ständig ausrutschen. Er schnitzt uns vier Wanderstöcke aus Bambus. Mit diesem Hilfsmittel sind wir auf den aufgeweichten Pfaden zwar etwas sicherer unterwegs. Unsere Wanderschuhe erkennen wir nach kurzer Zeit trotzdem nicht mehr. Unsere Füße werden zu überdimensionalen Dreckklumpen, was das Laufen nicht gerade einfacher macht.
Auf einmal entdecke ich ein Blutegel auf Marcos Wade. Schnippe es schnell weg, bevor unsere Männer eine Panikattacke bekommen. Blutegel mögen sie nämlich gar nicht, haben sie am Vorabend noch einstimmig beschlossen. Nach einigen Metern bemerken wir, dass das wohl nicht das einzige glitschige Tierchen gewesen ist. Thong erklärt uns, dass die Blutegel unsere Schritte durch die Erschütterung des Bodens bemerken. Und sich daraufhin in Stellung bringen. Ob das stimmt wissen wir nicht. Aber wir werden definitiv von allen Seiten regelrecht angegriffen. Unsere fleischigen Waden scheinen ein begehrtes Ziel für frisches Blut zu sein. Wir hüpfen nun mehr als dass wir laufen und niemand will der Letzte sein, bei dem die Blutegel nicht vom Hintermann vertrieben werden.
Wir sind überglücklich, als wir am letzten Hindernis des Tages ankommen. Ein Wasserfall von bemerkenswerter Größe, den wir hinaufklettern müssen. Egal. Uns ist alles recht, um nur den Blutegeln zu entkommen, die sich zum Glück nicht im schnell fließenden Wasser aufhalten.
An der Spitze des Wasserfalls angekommen, genießen wir die grandiose Aussicht über Berge, Urwälder und die Reisfelder in den Tälern. Und erreichen nach sieben Stunden völlig erschöpft unsere Unterkunft für die heutige Nacht.
Homestay in einem Dorf der Hmong
Wir sind in einem Dorf der Hmong untergebracht, machen einen so genannten Homestay, bei dem uns eine Familie bei sich aufnimmt. In diesem Fall gibt es für uns als Gäste eine kleine separate Hütte, in der wir schlafen können. Verschwitzt wie wir sind, wollen wir erstmal duschen. Macht euch selbst ein Bild, wie das in einem laotischen Bergdorf aussieht:
Am Abend essen wir bei unserer Gast-Familie zuhause. Auf dem Boden sitzend in einem Raum, der sowohl als Wohn- und Esszimmer als auch als Schlafzimmer dient. Für die ganze Familie. Englisch spricht niemand, was aber nicht so schlimm ist. Wir verstehen uns auch mit Händen und Füßen und zur Not hilft unser Guide Thong beim Übersetzen.
Seit circa einem Jahr hat das Dorf Strom. So laufen während dem Abendessen in voller Lautstärke thailändische Soaps mit herzzerreißenden Stories. Es gibt Hähnchen (in allen Einzelteilen!) mit dem typisch laotischen Sticky Rice (Klebreis) und Gemüse.
Nachdem die Schüsseln leer sind, präsentiert uns der Hausherr den (zum Glück!) übrig gebliebenen Hühnerkopf. Mit diesem spielen wir ein laotisches Trinkspiel ähnlich dem Flaschendrehen in Deutschland. In einer zugedeckten Schüssel wir der Hühnerkopf geschüttelt. Der Glückspilz, auf den der Hühnerschnabel bei Öffnen zeigt, muss trinken. Und zwar selbst gebrannten Lao Lao, den laotischen Reisschnaps. Du weißt nicht, ob du am nächsten Tag vielleicht blind aufwachst. Du weißt nicht, wie du am nächsten Tag den Rückweg schaffen sollst. Aber was tut man nicht alles aus Höflichkeit.
Unsere wenig erholsame Nachtruhe auf hartem Untergrund und mit zu viel Reisschnaps im Blut wird mit dem ersten Krähen des Hahnes jäh beendet. Ab diesem Zeitpunkt dröhnt Partymusik in voller Lautstärke durch das Dorf. Mit dem Strom schaffte es auch eine riesige Musikbox ins Dorf – und diese wird ausgenutzt: Vom Morgengrauen bis tief in die Nacht ertönt amerikanische Chartmusik.
Immerhin sind wir vom Schnaps nicht blind geworden. Und das Laufen funktioniert auch noch irgendwie. Jetzt erfahren wir auch, warum unser Guide Thong gestern gut ein Dutzend Limetten in seinem Rucksack mitgeschleppt hat. Die Säure der Limette lähmt die Blutegel. Limettensaft ist also ein natürliches Abwehrmittel gegen die Plagegeister!
Der Rückweg – sechs Stunden durch den Dschungel
Erste Station auf unserem Rückweg ist die Dorfschule, die aus mehreren einfachen Holzhütten besteht. Als Pausengong dient eine selbst gebastelte Pausenglocke aus Bombenschrott. Laos ist leider bis heute voll von gefährlichen Blindgängern aus dem Indochina-Krieg.
Was nicht sehr bekannt ist: Laos ist das am meisten bombardierte Land der Welt. Zwischen 1964 und 1973, während des Vietnam-Krieges, ließen die USA mehr Bomben auf Laos niederregnen als im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland und Japan zusammen. Das Land leidet noch heute darunter.
Wir verteilen die mitgebrachten Geschenke. Verschiedene Bücher, die wir über das Projekt „Big Brother Mouse“ in Luang Prabang gekauft haben. Ziel dieses Projektes ist es, jedem laotischen Schulkind das Lesen lernen zu ermöglichen. In den größeren Städten ist Big Brother Mouse mit eigenen Shops vertreten, in dem Touristen Buchpakete als Geschenke für laotische Kinder kaufen können.
Weiter geht´s. Stetig bergab auf spiegelglatten Matsch-Rutschbahnen. Ohne unsere Bambus-Wanderstöcke wären wir verloren. Wir rutschen mehr als dass wir laufen. Manchmal knapp am Abhang entlang. Zu guter Letzt fängt es an, in Strömen zu regnen. Weggespült ist aller Limettensaft als Blutegel-Abwehrmittel. Wir versuchen uns gegenseitig, die Blutegel vom Hals bzw. von der Haut zu Halten.
So langsam reicht´s mir. Ich habe keine Lust mehr. Kann mich hier jemand rausholen? Ein Taxi? Nein, natürlich nicht. Also weiter.
Schlangen in Laos: Nur ein bisschen giftig
Auf einmal passiert es: meine Schwester schreit auf. Guide Thong ist uns schon meterweit voraus. Als Julia über einen umgefallenen Baumstamm steigen will, liegt dahinter eine giftgrüne Schlange. Thong versucht, die Schlange mit einem Stock zurückzudrängen. Unglücklicherweise wird das Tier dadurch erst recht aktiv. Wir laufen so schnell es geht an der Schlange vorbei und vertrauen darauf, dass Thong schon weiß was er tut. Nachdem der erste Schreck überwunden ist, wollen wir von unserem Guide wissen, ob die Schlange gefährlich war. Nach einigem Zögern entlocken wir ihm ein „just a little bit“.
Erst als wir abends nach der Tour beim Abendessen sitzen und das WLAN nutzen können realisieren wir, dass es einige grüne Schlangen in Laos gibt. Allesamt sind giftig. Vermutlich nicht nur ein bisschen…
Endlich. Unser Boot.
Noch nie war ich so froh, ein Boot gesehen zu haben. Als wir nach sechs Stunden Wanderung völlig erschöpft an Ufer des Nam Ou ankommen, wartet bereits ein Boot auf uns, dass uns nach Nong Khiaw zurückbringt. Abends können wir uns kaum bewegen. Sind trotzdem glücklich und stolz, dieses Abenteuer mitgemacht zu haben. Ob wir es noch ein zweites Mal machen würden? Wahrscheinlich nicht 😉 … Würden wir diese Tour trotzdem empfehlen? Auf jeden Fall!
Jeder der Lust auf Abenteuer im Norden von Laos hat, sollte diese Tour buchen. Es ist eine Erfahrung, die man vermutlich nur einmal im Leben macht. Wo man vielleicht an seine Grenzen stößt. Und darüber hinaus geht. Und wie immer beim Reisen: um eine riesige Erfahrung reicher nach Hause kommt!
Alle Fakten zur Trekking Tourdurch den Dschungel in Laos
Die Tour: Wir waren zu viert und haben 79 EUR pro Person gezahlt (2014). Gebucht haben wir direkt im Büro von Green Discovery in Nong Khiaw. Start in Nong Khiaw, Green Discovery hat in mehreren Städten Büros und verschiedene Outdoor Aktivitäten im Angebot.
Wir haben am Tag vor dem Dschungel Trekking ebenfalls über Green Discovery einen Ganztagesausflug gebucht. An diesem Tag waren wir unterwegs per Boot, zu Fuß und mit dem Kayak. Für alle, die weniger Zeit haben oder keine zweitägige Tour buchen möchten ist dieses Paket optimal.
Unterkunft in Nong Khiaw: Nam Ou River Lodge. Einfach und zweckmäßig, mit eigenem Bad und Gemeinschaftsterrasse. 6 $ pro Nacht. Da wir in Nong Khiaw so viel unternommen haben, sind wir gleich 6 Nächte geblieben.
Gutes Frühstück gibt´s bei der tollen „Mama Alex“ im Alex Restaurant. Abendessen gibt´s dort auch, man bekommt was die Kühltruhe so hergibt. Ansonsten kann man gut indisch essen im Deen´s Indian Food und im Chennai Restaurant.
Und, haben wir deine Abenteuerlust geweckt? Wir sind gespannt auf dein Feedback!
Klingt abenteuerlich! 🙂 Wir haben von Kong Khiaw aus die Wasserfalltour gemacht. War auch toll, aber nur einen Tag (und nur mit zwei kleinen Bluegeln 😉 ). Funktioniert das echt mit den Limetten? Wir sind auch in Kürze wieder im Regenwald, da brauchen wir noch ein gutes Abwehrmittel gegen die Viecher!
Das war es auch, liebe Sabine. Zumindest hatten wir wirklich weniger Blutegel, als wir uns mit Limettensaft eingerieben haben ;-). Ich würde es auf jeden Fall probieren :-)! Wo geht´s denn bei euch hin? Viel Spaß!